Der Rücktritt vom Autokaufvertrag und die Erheblichkeit des Mangels
Hat die Kaufsache zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs, was i.d.R. die Übergabe des Fahrzeuges ist, einen Mangel im Sinne des Gesetzes, so kann der Autokäufer nach erfolgter Aufforderung zur Nacherfüllung weitergehende Gewährleistungsrechte geltend machen. Anders als bei der Minderung ist für den Fall der Erklärung des Rücktritts vom Vertrag hierfür gemäß § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB die Erheblichkeit der Pflichtverletzung, welche vorliegend die Verletzung der Pflicht des Verkäufers ist, eine mangelfreie Sache zu liefern, eine Voraussetzung für das (Gewährleistungs-) Recht zum Rücktritt vom Vertrag.
Insoweit stellt sich daher gelegentlich in der Praxis die Frage, ob der im konkreten Fall sich objektiv zeigende Mangel eine erhebliche Pflichtverletzung/einen erheblichen Mangel darstellt. Hierbei kommt es grundsätzlich auf die Umstände im konkreten Fall und unter anderem auf die mangelbedingte Beeinträchtigung für den Käufer an. Teilweise wird von der Rechtsprechung von einer erheblichen Pflichtverletzung ausgegangen, wenn die Mängelbeseitigungskosten über 5 % des Kaufpreises betragen. Eine starre Grenzziehung, wann die Pflichtverletzung erheblich ist, ist nicht möglich, so dass allgemeine Aussagen ungeeignet wären, die dahingehende zu klärende Frage zu beantworten.
Wenn man letztendlich bei der Prüfung dieser Voraussetzungen zu dem Ergebnis kommt, dass die Pflichtverletzung im konkreten Fall als erheblich anzusehen ist und sodann der Rücktritt erklärt wird, kann es vorkommen, dass sich im Rahmen eines Gerichtsprozesses durch Einholung eines Sachverständigengutachten im Ergebnis herausstellt, dass die Mängelbeseitigungskosten und der damit verbundene Aufwand zur Beseitigung des Mangels als solches das Recht zum Loslösen vom Vertrag durch den erklärten Rücktritt nicht rechtfertigen würde. Die Frage die sich sodann stellt ist, ob durch diese spätere Kenntniserlangung rückwirkend die Voraussetzungen für den Rücktritt, nämlich das Vorliegen eines erheblichen Mangels (erheblichen Pflichtverletzung) zu verneinen ist und hierdurch der Anspruch des Klägers wegfällt/unbegründet ist.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat bereits in seinem Urteil vom 05.11.2008, Aktenzeichen VIII ZR 166/07 und letztendlich bestätigend in einem weiteren nunmehr vorliegenden Urteil vom 15.06.2011, Aktenzeichen VIII ZR 139/09 und Urteil vom 29.06.2010, Aktenzeichen VIII 202/10 zu dieser Frage Stellung genommen.
BGH, Urteil v. 05.11.2008, Aktenzeichen VIII ZR 166/07
In der Entscheidung vom 05.11.2008 erwarb der Kläger von der Beklagten, welcher einen Autohandel betreibt, ein gebrauchtes Kraftfahrzeug, in welches nach dem Gefahrübergang (der Übergabe) Wasser in das Innere des Fahrzeuges eindrang. Die mehrfachen (außergerichtlichen) Versuche des Beklagten zur Nacherfüllung durch Beseitigung des Mangels schlugen fehl, so dass der Kläger den Rücktritt vom Vertrag erklärte und u.a. Zug um Zug gegen Rückgabe der Kaufsache den Kaufpreis vom Beklagten (Verkäufer) zurückforderte. Im Rahmen der gerichtlichen Beweisaufnahme stellte der Sachverständige die Ursache des Wassereintritts fest, welche mit nur geringen Aufwand beseitigt werden könnte.
Der Bundesgerichtshof stellte insoweit klar, dass grundsätzlich der Rücktritt des Käufers ausgeschlossen ist, wenn die Pflichtverletzung des Verkäufers unerheblich, d.h. der Mangel der verkauften Sache geringfügig ist. Bei der Frage, ob der Mangel/die Pflichtverletzung unerheblich ist, ist auf den Zeitpunkt der Rücktrittserklärung abzustellen. Da im konkreten Fall zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung die Gebrauchstauglichkeit des Fahrzeuges dadurch eingeschränkt gewesen ist, dass aus ungeklärter Ursache Feuchtigkeit in das Wageninnere eindrang und auch spätere Nachbesserungsversuche zur Beseitigung des Mangels durch Fachbetriebe fehl schlugen, war von einem erheblichen Mangel auszugehen. Die Tatsache, dass sich im Zuge einer späteren Beweisaufnahme herausgestellt hat, dass der Mangel mit geringen Aufwand beseitigt hätte werden können, stellt die Wirksamkeit des erklärten Rücktritts nicht infrage.
BGH, Urteil v. 15.06.2011, Aktenzeichnen VIII ZR 129/11
In der Entscheidung vom 15.06.2011 kaufte der Kläger vom gewerblich handelnden Beklagten ein Neufahrzeug, bei welchen ebenfalls eine Vielzahl von Mängeln auftraten, welche zu einer Vielzahl von Werkstattaufenthalten führten, ohne dass die Ursache gefunden werden konnte und letztendlich der Mangel weiterhin auftrat. Der Kläger erklärte gegenüber der Beklagten den Rücktritt, wobei im Prozess die Ursache der Mangelhaftigkeit festgestellt wurde, deren Mängelbeseitigungskosten weniger als 5 % des Kaufpreises betrugen. Auch in diesem Urteil bekräftigte der Bundesgerichtshof nochmals seine bisherige Rechtsprechung, nämlich das für die Beurteilung der Frage, ob ein Mangel der Kaufsache unerheblich ist und der Käufer aus diesem Grund nicht vom Kaufvertrag zurücktreten kann, auf den Zeitpunkt der Rücktrittserklärung abzustellen ist. Wenn in diesem Zeitpunkt die Ursache der sich objektiv zeigenden Mängel trotz mehrfacher Reparaturversuche des Verkäufers nicht ermittelt werden kann, ändert eine spätere Beweisaufnahme mit dem Ergebnis der (erstmaligen) Feststellung der Ursache des Mangels und die darauf beruhende Tatsache, dass der Mangel mit verhältnismäßig geringem Aufwand möglich gewesen wäre, nichts an der Wirksamkeit des erklärten Rücktritts auf der Grundlage der zu diesem Zeitpunkt anzunehmenden Erheblichkeit des Mangels.
BGH. Urteil v. 29.06.2010, Aktenzeichen VIII 202/10
In der Entscheidung vom 29.06.2010 erwarb der Kläger ein Wohnmobil, welches wegen Mängeln zur Nachbesserung insgesamt vier Mal in der Werkstatt des Beklagten war, welcher letztendlich behauptete, dass alle Mängel behoben seien. Dem entgegen ließ sich jedoch die Eingangstür des Wohnmobils mit normalem Kraftaufwand weiterhin nicht vollständig schließen und der Luftdruck bei einem der Reifen fiel von dem vorgeschriebenen Wert ab. Zudem konnte das Klappfenster des Wohnwagens im geöffneten Zustand mit der Eingangstür kollidieren, wobei die Beklagte die Nachbesserungen der Eingangstür bereits zweimal erfolglos versucht hatte und der Einbau eines Schiebefensters und einer neuen Eingangstür sowie die Erneuerung der Ventilzuführung des Reifens 1200,00 € kosten würden. Letztendlich erklärte der Kläger den Rücktritt vom Kaufvertrag und forderte Zug um Zug gegen Rückgabe des Wohnmobils den Kaufpreis von 127.715,15 € zurück.
Unabhängig davon, dass das Gericht die Ansicht vertrat, dass die Eingangstür des Wohnmobils bzw. deren Möglichkeit zur Öffnen über 180° und der Gefahr der Kollision mit dem Klappfenster keine einen Mangel begründende abweichende (allgemeine) Beschaffenheit darstellt, waren jedoch der abfallende Luftdruck bei einem der Reifen des Wohnmobils und die sich nicht mit normalen Kraftaufwand vollständig schließende Eingangstür des Wohnmobils als Mangel anzusehen. Auch insoweit kam es auf die Erheblichkeit des Mangels an, deren Beseitigungskosten höchstens 1200,00 € betragen würden. Im Rahmen der Entscheidungsbegründung fasste das Gericht seine bisherige Rechtsprechung nochmals sehr ausführlich wie folgt (vereinfacht) dargestellt zusammen:
Hiernach ist gemäß § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB der Rücktritt immer dann ausgeschlossen, wenn die in der Mangelhaftigkeit der vertraglich vereinbarten Kaufsache liegende Pflichtverletzung des Verkäufers unerheblich ist, was dann der Fall wäre, wenn der Mangel nur geringfügig ist. Geringfügig ist der Mangel nach der Rechtsprechung des Senats immer dann, wenn dieser behebbar und die Kosten der Mängelbeseitigung im Verhältnis zum Kaufpreis nur geringfügig sind. Bei welchem Prozentsatz die Geringfügigkeitsgrenze hierbei überschritten wird, hat der BGH bisher offen gelassen und auch in diesem Fall nicht entschieden, wobei er klarstellte, dass Aufwendungen in Höhe von nur knapp einem Prozent des Kaufpreises wie im vorliegenden Fall unzweifelhaft als unerheblich im Sinne des §§ 323 Abs. 5 Satz 2 BGB eingestuft werden können und einen Rücktritt nicht rechtfertigen. In diesem Zusammenhang stellte das Gericht des weiteren klar,, dass die Grenze der Geringfügigkeit (auch) nicht anders zu ziehen sei, in all den Fällen in welchen der Kauf-/Vertragsgegenstand der "Luxusklasse" angehört, da sich das Gewicht der dem Käufer insoweit zur Last fallenden Pflichtverletzung nur unter Berücksichtigung des Umfangs der geschuldeten Leistung insgesamt bewerten lässt. Auch stellte das Gericht nochmals klar, dass es bei der Frage der Erheblichkeit der Pflichtverletzung im Sinne des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB
a) bei behebbaren Mängeln
grundsätzlich auf die Kosten der Mängelbeseitigung und nicht auf das Ausmaß der Beeinträchtigung ankommt.
b) Auf das Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigung kommt es immer dann an,
wenn der Mangel nicht oder nur mit hohen Kosten beheben war oder die Mangelursache im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung ungeklärt ist, weil zum Beispiel der Verkäufer sie nicht feststellen konnte, wie im oben genannten Urteil vom 05.11.2008, Aktenzeichen VIII ZR 166/07.
Sollten Sie mit Ihren Vertragspartner im Streit über etwaige Mängel an der Kaufsache sein, so sollte für die Geltendmachung der Rechte auf Gewährleistung (Nacherfüllung, Rücktritt, Schadensersatz, Minderung) eine Beratung bei einem Rechtsanwalt im Kaufrecht in Anspruch genommen werden. Als Rechtsanwalt in Oranienburg vertrete ich Sie im Autokaufrecht bei der Durchsetzung Ihrer berechtigten Ansprüche gegen den Verkäufer, sei es außergerichtlich, aber auch vor Gericht sowie bei der Abwehr von unberechtigten Forderungen von Dritten gegen Sie.
Weitergehende Informationen zu der Frage, wann ein Mangel vorliegt, finden Sie unter nachfolgendem Link:
" Mangel ? "
Einen allgemeinen Überblick über die Gewährleistungsrechte im Einzelnen, können Sie über diesen Link erhalten:
" Die Rechte des Autokäufers bei Mängeln an der Kaufsache "